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Zum Abschluss ein Blick auf die Welt des Theaters

(RED) Vom 9. Juli bis zum 20. August bot die katholischen Gesamtkirchengemeinde Stuttgart Nordwest im Pfarrgarten von Sankt Theresia jede Woche ein vergnügliches wie abwechslungsreiches Programm aus Theater, Schauspiel, Komödie, Gesang mit Chansons – und einem Blick auf die Welt des Theaters zum Abschluss mit Sebastian Kreutz.

Sebastian Kreutz, 1967 in Annahütte in Brandburg geboren, bot am letzten Abend des „Theatersommer“ in Weilimdorf eine bunte Mischung aus Backstage-Geschichten und Bühnen-„Fronterlebnissen“ aus seiner Karriere als Sohn einer schlagfertigen Mutter in der Küche mit theaterreifen Erlebnissen, ausgebildeter Dachdecker, Bühnentechniker beim Landestheater Dessau noch zu DDR-Zeiten, seine Ausbildung an der Hochschule für Musik und Theater in Rostock, 14 lange Jahre als Staatsschauspieler am Staatstheater Karlsruhe – sowie seit 2017 als freischaffender Künstler mit Gastengagements in Heilbronn, Rostock, Stuttgart, Karlsruhe – und nun auch in Weilimdorf.

30 Jahre Theatererlebnisse in 50 Minuten

Und so lernten die Weilimdorfer in 50 Minuten im Pfarrgarten aus Kreutz´s 30 Jahren Theatererlebnissen das in Ostdeutschland zu DDR Zeiten noch in den Schulen verwendete „Mutti-Heftchen“ kennen, in dem der Lehrer niederschrieb, dass Kreutz in der vierten Klasse „vor dem Unterricht rauchen würde“ – mit der passenden Gegenantwort der Mutter „ja hätte er denn im Unterricht rauchen sollen?!“. Eines der prägenden Erlebnisse seiner damals noch nicht bekannten späteren Schauspielerkarriere.

Dank der Dachdeckerlehre schwindelfrei verschlug es ihn auf den „Schnürboden“ des Theaters in Dessau: „Hier lernte ich erstmals die duschgeknallten Wahnsinnigen kennen“ – und meinte damit die Schauspieler auf der Bühne, wenngleich die Erlebnisse hinter dem Vorhang im Backstage mit dem „Polnisch Papa“ ebenso im Gedächtnis hängen blieben, wie die Geschichte aus dem ausgehenden 19. Jahrhunderts seines Professors an der Hochschule zur Begrüßung seines Studienjahrgangs, wie ein junger Mann seine Aufnahme in die Schauspielschule als selber dargestellte eigene Oma einst geschafft haben soll.

Mit dem Wechsel nach Karlsruhe kam es dann auch zu dem eindrucksvollen Erlebnis mit dem „Schauspieler Patrick G. aus Paris“, dessen weniges Gebrummel und Genuschel als „Cyrano de Bergerac“ zwar definitiv keine schauspielerisch anspruchsvolle Leistung war, wohl aber dessen eigene mitgebrachte Entourage an Kostüm- und Lichttechnikern, über deren Leistung man in Fach- wie Publikumskreisen noch heute berichtet – nicht aber mehr über „Patrick G. aus P.“.

Theater ist eine Behauptung

Die Geburt seines Sohnes hat er zwar nicht direkt miterlebt, wohl aber stimmlich mit Sätzen wie „Mutter, Mutter!“ auf der Bühne zum großen Erstaunen seiner Kollegen und des Regisseurs unterbewusst umgesetzt,. Man erfuhr, dass man Hamlet auch in modernen Stücken mit Live-TV-Schauen auf der Bühne darstellt und der Konflikt zwischen Ossis und Wessis auch mal vor dem Publikum direkt ausgetragen wird. Ebenso herausfordernd sind Rollen vor einem Publikum mit mehr als 200 Blinden – und deren Begleitern, die hundertfach ihren Schützlingen flüsternd während der Aufführung erzählen, wie sich der Schauspieler gerade auf der Bühne bewegt oder was er tut: „Da kommt man schon mal schnell aus dem Text und Konzept“, erzählt Kreutz. Man fing gerade an, sich in die Welt der Bühne vor wie hinter dem Vorhang einzuleben – da war der Abend schon um, den Kreutz mit einem Schmunzeln über seine gerade erzählten Geschichten schloss: „Theater ist eine Behauptung, nur weiss man nicht, was gerade echt und was Phantasie ist“.

Übrigens: mit den Namen einiger Schauspieler, speziell aus der DDR-Zeit („kennen Sie den?“), hatte es das Weilimdorfer Publikum an dem Abend nicht so – wohl doch zu lange her, als Deutschland noch zweigeteilt war, verschiedene politische Wege ging und kulturell die Schnittstellen beschränkt waren. Aber vielleicht liegt es ja doch nur an der „Provinz“? Denn es ist ja allgemein bekannt: „Weil im Dorf sind wir hier, zur Stadt geht’s die Straße runter!“.

Bleibt zu hoffen, dass die Schauspielbühnen Stuttgart und die katholische Kirche Stuttgart Nordwest dieses Dank Corona neu geschaffene Kulturgut im Stadtbezirk auch 2021 fortsetzen. Es wäre schade, wenn es ein einmaliges Erlebnis bleiben würde nach dem Motto „damals im Corona-Sommer 2020 im Pfarrgarten“.

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