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Über den Dialog zur Aussöhnung

In großer Anzahl waren Heimatvertriebene und deren Angehörige auf den Stuttgarter Schlossplatz gekommen, um den 55. Jahrestag der Verkündung der „Charta der Vertriebenen“ zu begehen. Die Kreisvorsitzende der Union der Vertriebenen und Flüchtlinge, Stadträtin Iris Ripsam, erinnerte in ihrer Begrüßungsrede an diesen historischen Augenblick, als wenige Jahre nach Krieg und Vertreibung die deutschen Heimatvertriebenen auf Rache und Vergeltung verzichteten und sich für ein geeintes Europa aussprachen. In diesem Zusammenhang erneuerte Stadträtin Ripsam auch ihre Forderung, den 5. August zu einem Gedenktag zu erheben und sprach sich für die Einrichtung eines Zentrums gegen Vertreibungen in Berlin aus. Franz Longin, der für den Bund der Vertriebenen ein Grußwort sprach, schilderte dann als Zeitzeuge sehr eindrucksvoll sein persönliches Erlebnis von der damaligen Versammlung von 150.000 Vertriebenen vor den Ruinen des Neuen Schlosses, als die Charta verkündet wurde. Im Mittelpunkt der Feierstunde auf dem Schlossplatz, die musikalisch vom Stadtorchester Feuerbach umrahmt wurde, stand jedoch die Rede des baden- württembergischen Sozialministers Andreas Renner. Der Minister erinnerte in seiner Ansprache an die weitsichtigen Formulierungen der Charta, mit denen die Vertriebenen damals die Völker und die Menschen dazu aufriefen, für eine bessere Zukunft einzutreten. Nur der offene und ehrliche Umgang der europäischen Länder mit ihrer gemeinsamen Geschichte, so Renner, kann deshalb Grundlage für ein stabiles, friedvolles und geeintes Europa sein. Dazu sei ein Dialog zwischen den Menschen und Völkern notwendig, weil es ebenso wenig eine kollektive Schuld aller Deutschen am Zweiten Weltkrieg gibt, wie es eine kollektive Schuld der Polen und Tschechen für das Vertreibungsunrecht gibt. Kein Unrecht rechtfertigt anderes Unrecht, so Renner. Der Minister zeigte sich besonders beeindruckt von der in der Charta formulierten Vision von einem geeinten Europa, in dem Völker ohne Furcht und Zwang leben können. Vor 55 Jahren von den Vertriebenen als Ziel in der Charta festgeschrieben, sei diese Vision, auch dank der Mitarbeit der Heimatvertriebenen am Wiederaufbau der Bundesrepublik, inzwischen Wirklichkeit geworden.

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