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So spannend kann eine Lesung sein

Am Schluss tanzten die Puppen, richtiger gesagt: eine Marionette. „Nesenbachl“ heißt der Wassergeist des Stuttgarter „Hausflusses“, den der Puppenspieler Martin Ehmann auftreten ließ, und der grünhaarige, schiefzähnige Kobold erzählte lispelnd aus seinem so abwechslungsreichen Leben. Der Weilimdorfer Heimatkreis hatte im Rahmen des Seniorenherbstes zu einer Lesung in die Weilimdorfer Stadtbücherei zu einer Lesung eingeladen. Der „Nesenbachl“ war End- und Höhepunkt einer Präsentation, die sich auch sonst wohltuend von ähnlichen Veranstaltungen abhob. Locker und unterhaltsam erzählte Ulrich Gohl, Autor des Buches „Der Nesenbach. Geheimnis unter Stuttgarts Straßen“ und damit ausgewiesener Kenner der Materie, aus der Geschichte des oft geschmähten Gewässers. Von den Mühlen, die der Bach einst anzutreiben hatte, war da die Rede, aber auch von der Verschmutzung, die die Stuttgarter ihrem Bächle antaten; und dann verbannten sie ihn auch noch in den Untergrund. Verheerende Hochwasser waren ebenso ein Thema für den Stuttgarter Historiker wie die Entlarvung des immer wieder verbreiteten Gerüchts, aus dem Sand des Nesenbachs habe man früher Gold gewaschen. Zwischen diesen eher informativen Blöcken traten Gohls Kabarettkollegen Martin Ehmann und Ulrich Heinz von „Mustermann und die Motzlöffel“ in Aktion; sie brachten Gedichte und Prosatexte aus den vergangenen zwei Jahrhunderten. Da war etwa die Geschichte von dem französischen Handlungsreisenden zu hören, der anno 1886 in den Nesenbachkanal stürzte und dort eine ganze Nacht herumirrte, oder ein Bericht über die „Schifffahrt“ einiger Kinder auf dem Nesenbach in den späten 1850er-Jahren. Heiterkeit beim rundum begeisterten Publikum erregte die Reportage eines Journalisten, der den Kanal 1929 von Heslach bis zum Neckartor durchwanderte, besonders aber ein äußerst kurioses, seitenlanges Gedicht von 1842, das den Nesenbach zum „Nilstrom des Abendlandes“ adelt.

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