dsc_8668-diskutierbar

Premiere der Diskutierbar in Weilimdorf: „Wenn Leistung Spaß macht, ist sie in Ordnung“

Vergangene Woche fand in Weilimdorf erstmals die Diskutierbar statt. Thema dieses neuen Diskussionsformates war das Leistungsdenken. Den Einführungsvortrag hielt Anselm Bilgri, ehemaliger Prior im Kloster Andechs (siehe erstes Foto).

Vergangene Woche fand in Weilimdorf erstmals die Diskutierbar statt. Thema dieses neuen Diskussionsformates war das Leistungsdenken. Den Einführungsvortrag hielt Anselm Bilgri, ehemaliger Prior im Kloster Andechs (siehe erstes Foto).

Die Diskutierbar Weilimdorf feierte vergangene Woche Premiere. Das Holiday Inn im Industriegebiet Weilimdorf hatte in Zusammenarbeit mit Medien Marketing Meinsen zu diesem neuen Diskussionsformat eingeladen. Begrüßt wurden die rund 30 Gäs­te der Premierenveranstaltung von Alexan­dra Maierhans, Direktorin des Holiday Inn. „Das Thema der Diskutierbar lautet – Leis­tungsdenken zwischen Zweifel- und Wohlfühlkultur“, erläuterte Maierhans. Die Moderation des Abends werde Bodo Meinsen (siehe zweites Foto rechts) übernehmen. „Ein Mann der es versteht, selbst kontroverse Diskussionen charmant zu führen“. Diskutiert wurde in gemütlicher Atmosphäre in der Scirocco-Bar des Hotels, wobei Meinsen gleich eingangs erklärte, dass es bei der Diskus­sionsbar auch das Publikum zu Wort kommen werde.

Die fünf Diskutanten der Premiere (siehe drittes Foto rechts) waren der frühere Prior des Kloster Andechs und heutige Unternehmensberater Anselm Bilgri, der Unternehmer und Vorsitzende der FDP Bayern Albert Duin, der österreichische Maler Peter Feichter, der Journalist und „Zeitgeistjäger“ Matthias Heitmann sowie Weilimdorfs Bezirksvorsteherin Ulrike Zich. Der Experte für Sportmarketing Prof. Dr. Stefan Chatrath habe wegen Krankheit leider kurzfristig absagen müssen, erklärte Meinsen.

Bilgri hielt in seinem Einführungsvortrag fest, dass der Generation der Babyboomer und der sogenannten Generation x nun die Generation y gefolgt sei – eine Generation junger Menschen für die die Balance zwischen leben und arbeiten hohe Priorität hat. Die Generation y sei deshalb auch bereit, finanzielle Abstriche hinzunehmen. „Muse ist der Angelpunkt, um den sich alles dreht. Überall da, wo Muse nicht möglich ist, herrscht Tyrannei“, zitierte Bilgri an der Stelle den griechischen Philosophen Aristoteles. Mit Blick auf das Thema des Abends, das Leistungsdenken, hielt Bilgri fest, dass Leistung heute meist mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehe, um dann auf die moderne Informationstechnologie zu verweisen. Durch sie sei alles schneller geworden, auch das Leistungstempo habe sich beschleunigt. „Die Entschleunigung wird deshalb eine der wichtigsten Aufgaben der Zukunft sein“, so Bilgis Fazit.

Bezirksvorsteherin Zich hielt in ihrem Statement fest, dass Leistung viele Ausprägungen hat – Leistung im Beruf, im Wettkampf oder auch im Ehrenamt. „Wenn Leistung Spaß macht, ist sie in Ordnung“, stellte Ulrike Zich fest.

Albert Duin wehrte sich mit Nachdruck dagegen, dass Leistung im Beruf schlecht geredet wird. Menschen, die sich in ihrem Beruf wohlfühlen, würden auch gerne Leistung bringen. In mittelständischen Unternehmen, wo der Chef die Mitarbeiter noch persönlich kennt, sei das in der Regel der Fall. Ein Dorn im Auge sind Duin die immer weiter wachsenden Vorschriften, die im Berufsleben immer mehr die Oberhand gewinnen würden. Im Gegenzug würden sich die Mitarbeiter vermehrt in immer gefährlichere Freizeitaktivitäten stürzen. „Der Mensch braucht die Adrenalinausschüttung“, so Duins Credo. Und er forderte, dass die Mitarbeiter mehr Freiheiten bei ihrer Zeiteinteilung bekommen müssen. „Wenn jemand länger arbeiten möchte, weil er sich beispielsweise ein neues Auto anschaffen möchte, muss das möglich sein“, hält Duin fest. „Leistung muss erlaubt sein und Arbeit muss Spaß machen“, fasste der Unternehmer zusammen.

Heitmann meinte, der Mensch bewege sich in einem Spannungsfeld zwischen Risikobereitschaft und Sicherheitsdenken, Durchstarten oder Abbremsen, Fortschritt und Stillstand. „Ich habe das Gefühl, der Zeitgeist orientiert sich heute immer mehr in Richtung abbremsen“, so Heitmann. „‘Wir schaffen das’ ist deshalb zum schlimmsten Satz geworden“. Solche Sätze dürfe man heute nur noch im Leistungssport sagen, ansonsten seien sie out. Spreche jemand von Fortschritt erhalte er ein„ ja aber“ als Antwort. Wer Begriffe wie Entschleunigung oder Mäßigung in den Mund nehme, ernte hingegen kein „aber“. „Wir leben heute in einer Kultur des Misstrauens“, so Heitmann. Dabei handle es sich um ein Misstrauen, das sich gegen den Menschen an sich wende. „Wir verwenden heute mehr Energie darauf zu begrenzen anstatt neue auszuloten“, so Heitmann weiter. Die heutige Gesellschaft zweifle an allem und lasse sich Zukunftsangst injizieren. „Unsere Kinder haben mehr verdient als die Sparvariante der Gegenwart“, so Heitmanns Fazit.

Feichter hielt fest, dass es ohne Leistung nicht gehe. Die Frage sei, ob man seinen Job gerne macht oder nicht. „Junge Menschen bringen ihre Leistung gerne, wenn sie frei entscheiden können“, ist Feichter überzeugt.

An der Stelle hielt Bilgri fest, dass in seinem heutigen Job als Unternehmensberater die Unternehmenskultur immer eine wichtige Rolle spiele. „Es ist wichtig, dass Menschen so miteinander umgehen, dass sie Freude an der Leisung haben“. Mit Blick auf die Ausführungen von Heitmann hielt Bilgri fest: „Wir müssen weg von der pessimistischen Sicht und optimistisch nach vorne schauen“.

Moderator Meinsen brachte eine Studie zur Sprache, wonach die Zahl der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen in den vergangenen Jahren stark angestiegen ist. Laut der Studie hat sich die Zahl der Fehltage aufgrund von Depressionen seit den 90er Jahren verdreifacht. In den 20er Jahren habe es eine Parallele gegeben, erklärt dazu Heitmann. Damals sei die Krankheit Neurasthenie verstärkt aufgetreten, heute sei es das Burn-out Syndrom. Für Heitmann ist das ein Problem der Wahrnehmung der Gesellschaft. „Heute wird immer gefragt, was machst du durch“, hält der Autor fest. Bezirksvorsteherin Zich meinte, Depressionen oder auch Burn Out würden diejenigen bekommen, die keinen Sinn in ihrer Arbeit sehen. Aktuell seien durch die Flüchtlingsströme alle im Bezirksamt verstärkt eingespannt. Alle seien aber auch sehr zufrieden mit ihrer Arbeit. Feichter warf ein, dass beispielsweise Friseusen sehr viel arbeiten müssten, davon aber nicht leben könnten, zumal wenn sie auch noch alleinerziehend seien. „Wenn solche Menschen, die nachts nicht schlafen können, weil sie nicht wissen wie es weitergehen soll, ein Burn Out bekommen, ist das schon nachvollziehbar“, so Feichter.

Gleich mehrfach wurden auch die Gäste per Umfrage in die Diskussion einbezogen. Die beantworteten die Frage, ob Leis­tungsstreben gut und menschlich ist, fast durchweg mit „ja“ und zwar sowohl vor wie nach der Diskussion. Und auch ganz persönlich kamen die Gäste zu Wort. Zurm Leistungsbegriff etwa meinte einer der Zuschauer, dass man sich bewusst machen müsse, dass es bei der Leistungsbereitschaft große Unterschiede zwischen den Menschen gebe. „Es gibt Menschen, die Lust auf Leistung haben und solche, die keine Lust darauf haben und dazwischen eine große Mehrheit, die nicht so genau wisse, was sie wolle. „Fakt sei aber auch, dass viele Menschen unter ihren Möglichkeiten bleiben“, meinte ein anderer. Deshalb brauche es eine andere Einstellung zum Thema Leistung. Die abschließende Frage ans Publikum lautete, ob die Diskutierbar gefallen hat. Über 80 Prozent antworteten darauf mit „ja“.

_Text/Fotos: Tommasi

Ähnliche Beiträge

Themenbild Infostelen

Aktionen in Weilimdorf gekonnt durchführen: einige Tipps

(PM) Die Organisation wirksamer Aktionen in Weilimdorf erfordert eine Mischung aus kommunalem Engagement und neuartigen Ansätzen zur Verbreitung von Informationen. Schließlich sollen sie nicht nur in unserem Stuttgarter Stadtbezirk zirkulieren,