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Kunstworkshop mit Flüchtlingen zeigt Arbeiten im Alten Rathaus – „…es kommen Menschen“

Am Kunstworkshop „Glimpse of my Life” nahmen Flüchtlinge aus den Unterkünften in Hausen und in Weilimdorf aber auch aus Feuerbach teil. Die Entstandenen Arbeiten sind noch bis 23. Juli im Alten Rathaus in Weilimdorf zu sehen. „Wenn Interesse besteht, können wir uns auch eine längere Ausstellungsdauer vorstellen”, erklärt Andreas Zeger vom Verein Chloroplast.

Die Ausstellung ist phänomenal“, lautete der spontane Kommentar von Bürgermeister Werner Wölfle nachdem er einen ersten Blick auf die Werke der Flüchtlinge im ersten Stock des Alten Rathauses in Weilimdorf geworfen hatte. Schon die Beschriftung an den Treppenstufen hinauf in das erste Obergeschoss rüttelt auf. Zu sehen sind dort Menschen auf der Flucht. Daneben stehen Zahlen – von 435.600 bis über fünf Millionen und die Länder aus denen diese Menschen geflohen sind. Ist der Ausstellungsbesucher die Treppe hochgestiegen öffnet sich der Blick auf eine mit Kissen und Teppichen eingerichtete Sitzecke.

Ein Ort der offenbar zum Verweilen eindlädt. Doch der Blick auf die neben dieser kuscheligen Nische aufgehängten Teppiche zeigt Panzer, Kampfflugzeuge und anderes Kriegsgerät. „Es sind teilweise wirklich unglaubliche Geschichten, die hinter den Arbeiten stecken, die in der Ausstellung zu sehen sind“, erklärt Michi Meier, der den Workshop „Glimpse of my Life“ zusammen mit Andreas Zeger und Roderick Vanderstraeten geleitet hat. In der Nische am Treppenaufgang etwa ist auch ein Bild von einem jungen Ehepaar aufgehängt. „Dieses Hochzeitsbild war das einzige Foto, das die Leute aus ihrer Heimat mitgebracht haben“, erzählt Meier. Ein Augenblich ihres Lebens.

Zu sehen sind Fotos vom Krieg in den Heimatländern der Menschen. Versteckt hinter den Jalousien, in einem der Räume ist ein Foto von einem Terrorangriff zu sehen. Ein schreckliches Bild, aber auch das ist ein Augenblick im Leben eines Flüchtlings.

In einem anderen Raum ist eine große Karte an die Wand gemalt. Zu sehen sind dort die Länder, aus denen die Menschen geflüchtet sind. Die Fotografien, die an die Wand gepinnt wurden zeigen Fotos die von der Flucht erzählen. Fotos von schneebedeckten Bergen zwischen dem Iran und der Türkei, Fotos von Menschen auf der Flucht im Schlauchboot, Fotos von einem Sandsurm in der Wüste. Auch das wieder Augenblicke aus dem Leben der Flüchtlinge.

In einem weiteren Raum dann Bilder von einer Flüchtlingsunterkunft. Schlafräume, die Küche, Gemeinschaftsräume. Und Bilder von spielenden Kindern, die mit Dreirad oder Fahrrad unterwegs sind. „Als ich in Stuttgart angekommen bin wusste ich erst gar nicht wo ich bin und das ich es nach Deutschland geschafft hatte”, ist in einem der ebenfalls zu Ausstellung gehörenden Textdokumente zu lesen. „Erst am nächsten Tag habe ich es verstanden“.

Einer der Flüchtlinge aus Afghanistan erzählt, dass er schon einmal in Deutschland gelebt hat. Als Hamid Karzai an die Macht kam sei er wieder zurückgegangen, weil er dachte jetzt wird alles gut und er kann helfen sein Land wieder aufzubauen. „Jeder Afghane denkt an seine Heimat und will dort mit der Familie und Freunden leben. Aber dort gibt es im Moment keine Sicherheit, von 34 Städten beherrschen 31 die Taliban oder der Daisch (arabische Abkürzung für den Islamischen Staat, Anm. d. Red.) und da kann man nicht leben.“

Hamed Azizi hat schon zu Beginn des Workshops eine Rose gemalt, die Anfang Dezember vergangenen Jahres auf großflächigen Plakaten auf der Litfaßsäule vor der Flüchtlingsunterkunft in der Solitude Straße zu sehen war. Von Azizi ist auch das Motiv, das die Einladung zur Ausstellung ziert. „Ich versuche nur positive Dinge zu malen”, erklärt Azizi. Seine Weise um die Schrecken des Krieges in seiner Heimat und die Erlebnisse auf der Flucht zu verarbeiten.

Das Projekt sei eigentlich für ein viertel Jahr geplant gewesen, erzählt Zeger. Nun sei ein ganzes Jahr daraus geworden. Die Idee für das Projekt hat Meier an Werner Bossert herangetragen. Der Flüchtlingskreis habe sofort zugesagt und die Arbeit auch unterstützt, so Seeger. Bei Chloroplast habe man ich mit der Gruppe immer wieder getroffen. „Wir haben mit den Teilnehmern nicht nur gemalt sondern auch kunstgeschichtliche Workshops durchgeführt und gemeinsam Filme angeschaut”, so Meier.

Der Workshop habe gezeigt, dass Bildung, auch kulturelle Bildung und der Austausch über Geschichte extrem wichtig ist. „Die Menschen wussten nicht, dass es bei uns auch einmal Krieg gegeben hat.“ Dies sei ihnen erst bewusst geworden, nachdem sie im Luftschutzraum im Keller des Alten Rathauses gewesen sind. Durch den Workshop habe Ali Resa, der die in der Ausstellung gezeigten Fotos in der Flüchtlingsunterkunft gemacht hat einen Praktikumsplatz in einer Agentur bekommen, ergänzt Zeger. Ein Beispiel dafür wie wichtig Bildung auch für die Integration sei.

Unterstützt worden sei das Projekt von der Stadt Stuttgart, der Ritter-Hoppe Stiftung, der Bürgerstiftung Stuttgart, der LBBW, der Druckerei Hübch, dem Kunstverein Wagenhalle und von Chloroplast. Bossert bedankte sich bei der Ausstellungseröffnung bei allen Unterstützern. Insbesondere auch bei der Stadt Stuttgart, die die in der Flüchtlingsarbeit ehrenamtlich tätigen unterstütze „Es spricht für die Stadt, dass das Thema Flüchtlinge ganz weit oben auf der Agenda steht“ so Bossert. An der Stelle bedankte sich der Sprecher des Flüchtlingskreises auch bei den hauptamtlichen Mitarbeitern in den Unterkünften. Die Kooperationsbereitschaft der Hauptamtlichen sei sehr groß. Nur dank dieser guten Zusammenarbeit seien solche Projekte möglich.

Wölfle gab den Dank an den Flüchtlingskreis Weilimdorf und an Werner Bossert zurück. Bossert sei ein Mensch, der nicht nur rede sondern auch anpacke. „Werner Bossert nervt wie sonst niemand”, meinte Wölfle lachend. Er habe ihn wegen der Flüchtlingsarbeit schon mehrfach angerufen. „Als wir uns dann zum ersten Mal persönlich getroffen haben, haben wir uns gleich verstanden.“ Bossert gab daraufhin lachend zurück, er könne nicht versprechen dass er in Zukunft nicht mehr nerven werde. Er werde auch weiterhin das direkte Gespräch suchen.

Zur Ausstellung erklärte Sozialbürgermeister Wölfle, dass ihn das was er hier gezeigt wird geplättet habe. Die Ausstellung sei ein Beispiel dafür, dass man manchmal auch Dinge in Angriff nahmen müsse, bei denen man nicht weiß, was am Ende herauskommt. „Man muss manchmal einfach Dinge ausprobieren“ so Wölfle. Wölfle hob weiter hervor, wie wichtig ehrenamtliches Engagement insbesondere in der Flüchtlingsarbeit sei. „An der Gesetzgebung können wir nichts ändern“, so der Sozialbürgermeister. „Aber wir können die Menschen willkommen heißen”. Der Titel der Ausstellung „…es kommen Menschen“ drücke genau das auch aus.

Mit Blick auf den Verein Chloroplast, der sein Domizil im Walz Areal hat, hielt Wölfle fest, dass in Stuttgart immer wieder auf Brachflächen interessantes entstehe. Man müsse viel öfter schauen, was sich aus solchen Dingen entwickelt.

Nach einem kurzen Rundgang durch die Ausstellung wurden die Besucher dann noch musikalisch unterhalten und es gab auch einen kleinen Imbiss. Wer bei der Ausstellungseröffnung nicht vor Ort sein konnte. „…es kommen Menschen” ist am kommenden Wochenende (21. bis 23. Juli) jeweils von 14 bis 20 Uhr geöffnet. Die Leiter des Workshops und die Künstler sind während der Öffnungszeiten vor Ort. Bei entsprechendem Interesse besteht die Option die Ausstellung zu verlängern.
Text/Fotos: Tommasi

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